Die Ziele des ersten CARE Projektes sind die umfassende wissenschaftliche Untersuchung des Kindergrabes (1), die Rekonstruktion der Kette und des Grabbaus (2) sowie die multi-mediale Dokumentation und Präsentation in einem jordanischen Museum (3) um aufzuzeigen, wie sehr die Veränderungen im Neolithikum bis heute unser Leben prägen.
1) Die wissenschaftlichen Untersuchungen
a) Rekonstruktion des Bestattungsritus und des Grabbaus nach der Grabungsdokumentation und den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Analysen (Dr. Marion Benz, Dr. Hans Georg K. Gebel, Ba`ja Project, ex oriente e.V. und Institut für Vorderasiatische Archäologie, Freie Universität Berlin).
b) Bestimmung der Rohstoffe der Kette durch Röntgenfluoreszenz-Analysen (Melissa Gerlitzki M.A., Dr. Manfred Martin, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg). Muscheln, Mineralien und Gesteine, die für den Schmuck verwendet wurden, können wichtige Hinweise auf Austauschnetzwerke während des frühen Neolithikums geben. Dank umfassender früherer Surveys liegen sehr gute Vergleichsdaten für die Bestimmung der Rohstoffherkunft vor (A. Hauptmann 2009).
c) Wissenschaftliche Untersuchung der Perlen und Rekonstruktion des Colliers: Da viele Perlen noch in situ gefunden wurden, war eine authentische Rekonstruktion des Schmuckstückes möglich. Federführend für die wissenschaftlichen Untersuchungen der Schmuckstücke sowie für die Rekonstruktion ist Dr. Hala Alarashi, CEPAM, Nizza. Sie ist Spezialisten für neolithische Perlen aus dem Nahen Osten (Alarashi 2014, 2016; Alarashi et al. 2018) (Fig. 3).
d) Die anthropologischen Auswertungen, die von Dr. Julia Gresky am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin geleitet werden, umfassen: a-DNA Analysen (Dr. Wolfgang Haak, MPI für Menschheitsgeschichte, Jena), Sr/O-Isotopen Analysen um Mobilitätsmuster und möglicherweise die Herkunft zu bestimmen (Dr. Corina Knipper; CEZ Mannheim), weitere Analysen stabiler Isotope (C/N), um die Ernährung des Kindes zu rekonstruieren (Dr. Sandra Lösch, Rechtsmedizinisches Institut Bern, Schweiz) sowie morphologische und histologische Analysen für die Bestimmung von Alter, Geschlecht und Krankheiten (Dr. Julia Gresky, DAI Berlin). Taphonomische Untersuchungen an den Knochen könnten weitere Hinweise auf den Bestattungsritus erbringen (Dr. Scott Haddow, CCRS, Dänemark).
Fig. 3 Perle für Perle wurde das aufwendige Collier so authentisch wie möglich anhand der Grabungsdokumentation wieder aufgefädelt (Foto: M. Benz).
2) Restaurierung und Rekonstruktion
Das Grab soll in Kooperation mit Dr. Hussein al-Sababha, Fakultät für Archäologie und Anthropologie der Yarmouk Universität von Irbid, Jordanien, restauriert und rekonstruiert werden. Alle Bauelemente des Grabes wurden bereits im April 2019 von der Fundstelle ins Museum transferiert in Zusammenarbeit mit der Medientechnikerin Julia Graf und dem Restaurator Martin Bader vom Schweizer Landesmuseum Zürich (Fig. 4). Die Restaurierung besonders zerbrechlicher und gefährdeter Perlen sowie des Perlmuttrings wurde im Labor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart von Alice Costes, B.A. im Rahmen ihres Masterstudiums bei Dr. Dipl.-Rest. Andrea Fischer durchgeführt (Fig. 5). Die fertig restaurierte Kette wurde von Norbert Spichtig, von der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, für eine 3-D Rekonstruktion aufgenommen und gescannt (Fig. 6). Die restaurierte Kette wird dem Antikendienst Jordaniens zurückgegeben und soll zusammen mit dem Grabbau ausgestellt werden.
Fig. 5 Wissenschaftliche Untersuchungen der Perlen sind unabdingbar vor der Restaurierung (Foto: M. Benz).
3) Präsentation des Grabes und seiner Umgebung
Im Museum soll neben der Grabrekonstruktion ein digitales Lebensbild mit einer Bestattungsszene aus Ba`ja gezeigt werden. Dieses wurde im Rahmen der AG Talentförderung von Schülern des Goethe-Gymnasiums Emmendingen angefertigt (geleitet wurde die AG von Dr. Ariane Wild and Stefano Marino; wiss. Beratung Dr. Marion Benz) (Fig. 7). Um den Jugendlichen das weite Berufsfeld der Archäologie aufzuzeigen, besuchten sie unsere Partnerinstitutionen, zudem das Kunstatelier „Bunter Hund“ in Zürich, das sich auf archäologische Lebensbilder spezialisiert hat und das Institut für Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA) in Basel. Vielen Dank all denen, die dieses Projekt “Archäologie trifft Schule” möglich gemacht haben!
An der Hochschule für Medien in Stuttgart soll die digitale Version des Bildes mit Informationen, wie Fotos der Originalobjekte, Szenen der Ausgrabungen oder Infotexten, verknüpft werden. Das Lebensbild soll auf einem Touchscreen im Museum gezeigt werden. Bei Berührung bestimmter Objekte können die verknüpften Informationen von Museumsbesuchern abgerufen werden.
Die Restaurierung und Präsentation dieses außergewöhnlichen Kindergrabes von Ba`ja im Rahmen des CARE Projektes (Fig. 8) sichert somit nicht nur eine Entdeckung von internationaler Bedeutung, sondern erlaubt ein vertieftes Verständnis für das neolithische kulturelle Erbe auf verschiedenen Ebenen: es sensibilisiert einheimische wie fremde Museumsbesucher für die Bedeutung der prähistorischen Vergangenheit. Das Schulprojekt erlaubte den Schülerinnen und Schülern, eine ganz neue Art von Fremdheit zu erfahren. Sie mussten sich in eine andere Zeit, eine andere Kultur und eine andere Landschaft hineinversetzen. CARE schafft durch seine internationalen Kooperationen Verständnis für unsere gemeinsame Vergangenheit und stärkt wissenschaftliche Zusammenarbeit über nationale und kulturelle Grenzen hinweg. Sesshaftigkeit und Ackerbau begannen zwar im Nahen Osten früher, aber die neue Lebensweise führte zu einem rasanten Bevölkerungswachstum und breitete sich nach Europa aus. Die neolithischen Gemeinschaften veränderten unsere Welt für immer. Die Konsequenzen, wie Überbevölkerung, Kommodifzierung von fast allem und zunehmende soziale Differenzierung, tragen wir bis heute. Soziale Errungenschaften wie das Leben in dauerhaften staatlichen Gemeinschaften oder Mega-Cities wären ohne die Neolithisierung undenkbar.