Während der ersten Grabungskampagne des neuen Ba`ja Projektes "Haushalt und Tod" (www.exoriente.org/baja/; Gebel et al. 2017, 2019) wurde im Sommer 2018 ein außergewöhnliches Kindergrab in einem der Gebäude des neolithischen Fundortes von Ba`ja (Bienert und Gebel 2004; Fig. 1) entdeckt. Es zählt zu einer der aufwendigsten Kinderbestattungen des späten a-keramischen Neolithikums (late Pre-Pottery Neolithic B) im Nahen Osten. Erste anthropologische Untersuchungen legen nahe, dass es sich um ein etwa 8 Jahre altes Mädchen handelt. Der Grabbau bestand aus einer Steinkiste aus rotem Sandstein, die in die Grabgrube gesetzt worden war. Darüber wurden mehrere Lagen weiß glitzernde ordovizische Sandsteinplatten deponiert, die kurz vor der Bestattung absichtlich zerschlagen worden sein müssen. Zum Schluss wurde der gesamte Grabbau mit weißem Kalkputz überzogen. Die Knochen des Kindes waren alle rot gefärbt (Fig. 2). Dieser Kontrast zwischen rot und weiß wiederholte sich im aufwendigen Schmuck, den das Kind trug. Über 2575 weiße Muschelperlen und rote Kalksteinperlchen waren auf mehreren Kettensträngen zu einem Collier aufgefädelt. Nur fünf Türkise, zwei schwarze Hämatitperlen und zwei dunkelbraune Perlen aus bislang unbestimmtem Material unterbrachen diese klare Zweifarbigkeit. Türkise wurden über eine Entfernung von 200 km vermutlich von der Sinaihalbinsel eingetauscht (Hauptmann 2004), während die Muscheln vom Roten Meer kamen. Als Kettenverteiler diente in der Mitte des Colliers ein schillernder Perlmuttring und im Nacken wurden die Ketten von einer schwarzen Schließe, die vermutlich auch aus Hämatit war, zusammengehalten.
Diese reich geschmückte Bestattung eines Kindes erfordert bisherige Theorien zur Entstehung sozialer Hierarchien zu überdenken (Gebel 2002, 2010; Benz 2000, 2012; Price and Bar-Yosef 2012; Özdoğan 2014). Während die relativ gleichförmige Architektur bisher auf eher heterarchische Sozialstrukturen schließen ließ, häufen sich in den archäologischen Befunden von Bestattungen deutliche Hinweise auf soziale Differenzierungen (e.g. Rollefson 2000, 2017; Goring-Morris 2005; Benz et al. 2019). Das reich ausgestattete Kindergrab von Ba`ja bestätigt dies und legt nahe, dass manchen Kindern bereits in einem jungen Alter ein besonderer Status zugeschrieben worden war (Molist et al. 2013; Hermansen 2017; Gebel et al. 2019; Benz 2020; Benz et al. 2020).
Das Kindergrab eröffnet zudem einzigartige Einblicke ins Leben während der Jungsteinzeit durch das berührende Schicksal eines Kindes und schafft dadurch bleibende Erinnerungen. Es ermöglicht ein vertieftes Verständnis für einen der fundamentalen Wendepunkte der Menschheitsgeschichte von mobilen Jäger- und Sammlergruppen zu sesshaften Ackerbauern.
Fig. 1 Versteckt in den Bergen: Die 9000 Jahre alte Siedlung von Ba`ja in Südjordanien (Foto: H.G.K. Gebel).
Fig. 2 Die Bestattung des Kindes von Ba`ja, vermutlich ein etwa 8-jähriges Mädchen, ist eines der am reichsten ausgestatteten Kindergräber des frühen Neolithikums im Nahen Osten (Foto: M. Benz).